Zu den Wiesen
/ BEHIND THE DESIGN
Zart berauscht blüht es zwischen den Mauern und schmiegt sich sanft in die Landschaft
Romantisch und dennoch Zeitgenössisch — Ein Garten Gestaltet für zwei Fotografen:
Zu den wiesen:
Als ich 2021 das Erste mal “Zu den Wiesen” kam, stand der ikonische Küchengarten der beiden Fotografen Yannic Schon und Susann Probst, aka KrautKopf, bereits in seiner spätsommerlichen Fülle. Ich kannte die Aufnahmen der Beiden schon, da wir uns gegenseitig im Netz folgten und auch die Szenerie, die sich langsam in die Realität entfaltete: Das dunkle Gewächshaus umgeben von einer bunten Mischung aus Gemüsepflanzen. Buschige Kräuter und blühende Stauden waberten hier und da durch den Ort. Das bereits restaurierte Siedlerhaus mit seinem alten Schuppen und der Ruine wurde von der Abendsonne illuminiert als wir uns an gemeinsam an das Abendessen machten. Ich war, neben anderen Teilnehmer*innen, teil des Foodtsyling-Workshops der Beiden. Zwischen frisch gerösteten Kartoffeln und saftigem Gemüse blickten die Beiden grinsed zu mir:
“Du wirst bestimmt unseren Garten gestalten”
sagten Yannic und Susann, als wir gemeinsam an der Feuerstelle saßen. Für einen Moment war ich gedanklich bereits in all den Gestaltungsideen und Möglichkeiten abgetaucht.
Im nächsten, saßen wir, wenige Zeit später in unserem ersten Videocall: Ich in London zur damaligen Chelsea-Flower-Show im Herbst und die beiden in ihrem ausgebauten Atelier.
Voller Potenzial und bereits existierender Ecken, wie die Blühwiese, das Wäldchen neben der Ruine, ein kleiner Staudenstreifen am Rand und natürlich der Gemüse und Blumen-Garten wuchsen die Wünsche.
Durch das Gespräch wurden sie immer klarer und auch in diesem Moment war ich kurz davor in den Tagträumereien des ausgewachsenen Gartens zu schwelgen, die mir im Kopf herumschwirrten.
Stück für Stück
Bevor es aber um meine eigenen Eindrücke und Impulse ging, galt es zuerst, die Essenz der Beiden, ihren Hintergrund als Fotografen und die Geschichte des Siedlerhauses, das sie renovierten, zu verstehen.
Der Gedanke eine “Handgemachte Wildernis” zu betonen, die in Ansätzen fast greifbar war, lag seit dem Moment am Feuer als kleiner Funke in meinem Kopf und wartete darauf entfacht zu werden. Aus diesem kleinen glimmernden Gedanken entstanden so langsam multidimensionale Bilder und innere Impulse.
GENIUS LOCI
Oft ist es üblich aus der Warte der reinen Funktion und der Bedürfnisse einen Garten zu planen und das funktioniert auch auf Papier wunderbar, doch kann es passieren, dass das Wesentliche, das den Ort später prägt, dabei verloren geht: Es ist der“Genius Loci” , aus dem lateinischen Übersetzt der “Geist des Ortes”.
Diese spürbare Energie gilt es, meiner Meinung nach, unter allen Umständen zu erhalten und damit auch soviel wie möglich an Elementen, alten Bäumen und besonderen Strukturen innerhalb eines Gartens, die alle zu seinem Wesen beitragen, zu behalten. Daher stürme ich gerne in meine Tagträumereien, um die Eindrücke, die unmittelbar mit dem Ort zusammenhängen als Grundlage für einen sogenannten Leitfaden zu nutzen..
Jinny Blom, reflektiert in ihrem neuen Buch “What Makes a Garden” die vielen Elemente und Aspekte die zu der Identität eines Gartens beitragen können und betont neben den physischen Gegebenheiten auch die Alchemie die entsteht, wenn man einen Garten zunächst in introvertierten Prozessen erträumt und später durch die vielen Hände, die mitwirken, sich in die Realität übertragen.
Gedacht, Getan, Gemacht.
Form follows Nature
Aus diesem Leitfaden und den wildhaften Impulsen die aus dem ersten Gedanken entsprangen, sowie den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Beiden, konnte die neue Formensprache der jetzigen Garten-Räume entstehen und begleitet auch weiterhin die Entscheidungen und Gedanken für weitere Entwicklungen des Ortes.
Die bis dahin sehr präsente, leere Rasenfläche zwischen Küchengarten und der Ruine des ehemaligen Waschhauses, wurde durch organische Beetformen ergänzt. Sie brechen die formalen Strukturen der produktiven Gärten auf und fangen an, bewusst durch den Garten zu führen. Um den ursprünglich historischen Grundrissen gerecht zu werden kam die Erweiterung der Ruinen durch niedrige Mauern und den neu definierten Beeten aus Stahleinfassungen zum Ausdruck.
Die exsitierende Rabatte an der Grunstücksgrenze wurde durch einen großen sanften Schwung mit in den Garten gezogen um bewusst einen neuen Raumausdruck zu schaffen. Dadurch kann sich die “Strenge” der Formalen Gebäude und Linien auf den Gemüsegarten fokussieren und wird zum Rest des Gartens hin weicher und weiter. Die Sichtachsen, Fluchten und Wege spielten dabei ebenfalls eine Rolle. Neben ein paar vereinzelten Gehölzen und Staudenergänzungen, betonen derzeit einzelne Zieräpfel nun die Fläche und vervollständigen die neu geschaffenen Räume.
Weitere Beete, wie in der Skizze, umspielen den Küchengarten noch weiter um den Genius loci und eine “eingewachsene, handgemachte Wildnis” zu schöpfe.
Textur über Textur
Die Bepflanzung in den neuen “Ruinenbeeten” spielt mit einem üppigen Kontrast an Texturen, Höhen und Tiefen. Viele Pflanzenformen und Bewegungen schmiegen sich aneinander und entlehnen sich den fernen Gehölzballungen der umliegenden Landschaft. Intuitiv verbindet man als Betrachter den Garten mit allem was außerhalb der tatsächlichen Grenzen liegt. Alleine in ihrem ersten Jahr der Pflanzung (März 2023) zeigen sie das Potenzial.
Während sich die Kletterrosen “Ghislaine de Feligonde” an Stahlobelisken emporräkeln um später die Vertikale zu betonen, bildet der palmlilienblättrige Mannsttreu (Eryngium yuccifolium) gemeinsam mit der Dolden-Glockenblume (Campanula lactiflora “Alba”) interessante Aspekte. Gehölze wie Aronia melanocarpa und Cotinus coggygria bilden über die nächste Zeit rhythmische Akzente in den Beeten.
Ein weiterer Kontrast bildet die wildhafte Bepflanzung zu der gemähten Rasenfläche, die sich selbst mit weißem Klee schmückt und trägt unweigerlich zu dem romantischen Charme der alten Ruine des Waschhauses bei.
FICHTEN (ZU)FALL
Auch wenn der Vorgarten zeitlich als erstes umgesetzt wurde, zeigt der folgende Zufall wie zeitlos eine gute, durchdachte Gestaltung sein kann, die sich starke Veränderungen zu Nütze macht,, anstatt ihren Charme und ihren Charakter dadurch zu verlieren.
Als gutes Fundament macht sich an dieser Stelle der Grundgedanke des Genius loci bemerkbar.
Hinter dem Gemüsegarten stand eine Reihe an Fichten, die die beiden Grundstücke voneinander trennten. Nach langer Überlegungen von Yannic, Susann und den Gesprächen mit mir, sowie einem Sturm später, fielen die Fichten. Die imposante Reihe, die bis dahin das prägnante Bild des Küchengartens sehr prägte, gibt nun den Blick auf die neue Streuobstwiesenfläche frei. Ein willkommener “Zufall”, denn so konnte sich die Weichheit und die sanften Übergänge der Gartenbereiche nicht nur in den Beeten der Ruinen manifestieren, sondern ebenfalls durch die nachfolgenden Additionen:
Die nach der Öffnung neu geplanten, gruppierten Gehölze und Wildhecken rund um die Begrenzungen der Obstwiese und dem neuen Bereich der ehemaligen Fichtenreihe, fangen gerade an sich zu etablieren und bilden ein weiteres Gerüst, das den Garten zu einem ganzen zusammenführt und die beiden Grundstücke in ihrem Charakter verschmelzen lässt.
Die grobe Skizze zeigt die bereits geplante Obstwiese (zur rechten Seite) mit neuen geschwungenen Flächen, die als Saumzonen gedacht waren: Genau diese Wiesen-Säume, die vorher auf der leeren Fläche fehlten, locken in den Streuobstbereich und führen als mäandernder Rundgang durch den ganzen Garten. Mit dieser kleinen aber durchaus wichtigen Ode an die Wiesen.entsteht eine große artenreiche Wirkung:
Eine Mischung aus unterschiedlich alten Gehölzen in den Hecken und die Staffelung der Pflanzungen, erlaubt die für unsere heimische Biodiversität notwendigen “Eco Tones” — Regionen die zwischen zwei, oder mehrere biologischen Gesellschaften existieren.
Optisch und Ökologisch ein Blickfang.
Aber kommen wir etwas mehr zurück zum Anfang:
DIE LICHTUNG oder auch der Vorgarten
Nach dem Grundstein des Leitfadens und den ersten Zeitplänen der Umsetzung, war der Vorgarten der erste Bereich der neu gestaltet und im Frühjahr 2022 gepflanzt wurde.
Rasenkanten aus wetterbeständigem, oxidierendem Stahl definieren den breiten gemähten Weg. Durch den Wunsch der Beiden Fotografen eine “Staudenlichtung” für ihre Aufnahmen zu gestalten, entstand eine komplexe Bepflanzung aus statischen und dynamischen Elementen.
Ein Wechsel, der es durch das Jahr hinweg spannend macht und den gewissen Zufall einer kuratierten Wildheit mit sich bringt.
Selbstaussähende zweijährige Fingerhüte, wie der besondere Digitalis ferruginea “Gelber Herold”, sich gerne versamenden Campanula trachelium und Mondviolen (Lunaria redivia) wandern durch die Beete, während einzelne Sträucher wie das Pfaffenhütchen (hier Euonymus alatus) oder Rispenhortensien (Hydrangea paniculata “Kyushu”) rhythmische Akzente und Struktur im Winter bilden.
Ein Lichtblick, vor allem am frühen Morgen und an Tagen, wenn das eigentliche Gärtnern noch im Winterschlaf liegt.
Da der Vorgarten und der Leitfaden als erstes entstanden sind, informieren sie die restlichen Beete, Gehölzplatzierungen und Weiterentwicklung. Ein Teil einer Idenität die auf vielen Aspekten beruht. Zart miteinander verwoben sind die Geschichten die die Pflanzen mit sich bringen, die Aspekte und Prinzipien der Gartengestaltung und auch die eigenen Werte.
All das könnte man, wie Jinny Blom es so gut beschreibt, Alchemie nennen.
Verwunschene Gärten und wie sie solche werden können
Genau an dieser Stelle will zwei Dinge vorstellen. Zum einen den Gedanken, dass genau diese Alchemie sich in jedem Garten zeigen, gestalten und führen lässt. Zum anderen, dass ein besonderer Garten immer mit einem Ort und den Gescheiten und Identitäten der Gestaltenden verwoben ist. Persönlich, Einzigartig und Verwunschen.
In meiner Praxis versuche ich genau diese Identitäten zu führen, herauszukitzeln und mit besonderer Beachtung umzusetzen: Stets informiert von Wildnis und einer intuitiven Ausdruckskraft und Vision..
Da hier an dieser Stelle allerdings der Platz und auch die Zeit fehlt, all diese multidimensionalen Aspekte in ein paar Sätze zu packen, zeige ich in meinen Spellbinding Garden Sessions, die jeden letzten Montag im Monat stattfinden, wie du selbst diese Alchemie in deinem eigenen Garten kreieren kannst. Mit jeweils einem Hauptthema tauchen wir in die naturhafte, besondere Gartengestaltung und finden konkrete Vorschläge und Ideen für deinen eigenen Ort. Alle Informationen findest du hier.
Und zu guter Letzt:
ZU DEN WIESEN
Zeit ist wohl einer der unbequemsten Aspekte einer verzaubernden Gestaltung und vor allem in Kombination mit Geduld. Es braucht genau beides um ein Projekt wachsen, entstehen und sich verändern zu sehen. Yannic und Susann haben genau diese Zeit und die Entwicklungen zugelassen und ich bedanke mich von ganzem Herzen für die Möglichkeit an diesem Projekt zu arbeiten und meine Wildhaftigkeit und Intuition einfliessen zu lassen: Euere Offenheit für neue Wege ist klasse: Danke!
In drei Jahren ist einiges entstanden und ich bin froh endlich einen großen Teil davon vorstellen zu können, was mich zu etwas Besonderem führt:
Wenn du mich vor drei Jahren gefragt hättest, ob es jemals ein Buch über den Garten von Yannic und Susann geben würde, hätte ich vielleicht mit “möglich” geantwortet und geschmunzelt.
Jetzt ist es Realität: Es hat den Titel “Zu den Wiesen” und ist ein fotografisches Gartenportrait, dass die Entstehung des Gartens begleitet und vor allem die visuelle, atmosphärische Welt, die die beiden auszeichnet, mit Hingabe und Inspiration zelebriert.
Und Es ist deines, wenn du willst:
Noch bis zum 4 Februar gibt es die Chance eine signierte Kopie von KrautKopf und mir zu gewinnen. Dazu verlose ich ein Workshopticket für eine Spellbidning Garden Session deiner Wahl:
Um mitzumachen kommentiere diesen Journalbeitrag mit deinem Lieblingsaspekt aus der Gartengestaltung und gebe ihm ein Herz.
Für einen Einblick in das Buch kannst du gerne auch direkt hier bei Instagram vorbeischauen.
Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken und freue mich, wenn dir der Einblick in das Projekt vielleicht die ein oder andere Idee für deinen eigenen Garten mitbringt. Bleib Wild, Sebastian.